VERFEHLTE WACHSTUMSPOLITIK IN WIEDLISBACH

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Neue Bauzone sorgt für rote Köpfe

Von Robert Grogg. Aktualisiert am 09.03.2011
http://bo.bernerzeitung.ch/region/emmental/Neue-Bauzone-sorgt-fuer-rote-Koepfe/story/10622893 - kommentar

Wiedlisbach habe sich zu lange im Glanz des Wakker-Preises gesonnt und die Gegenwart verschlafen. Das gibt selbst der heutige Gemeinderat zu. Er will deshalb das Wachstum fördern. Betroffene werfen ihm vor, er wolle Einheimische materiell enteignen, um reiche Zuzüger anlocken zu können.

Wiedlisbach, Gerzmatt

Heute Mittwoch findet in Wiedlisbach ein Orientierungsabend zur Revision der Ortsplanung statt. Speziell Betroffene wurden bereits am Montag vorinformiert. Seither ist Feuer im Dach. Einzelne sind erbost. Sie reden von Diebstahl und Enteignung. Die Präsentation sei eine Farce gewesen. Die meist älteren Personen hätten nicht viel verstanden und schon gar nichts sehen können. Man habe den Leuten nur nebenbei erklärt, dass die Bauparzellen, deretwegen sie eingeladen worden waren, zu Grün- und Gartenzonen werden sollen. Und dies, damit die Gemeinde in der Gerzmatt oberhalb der Bahnlinie ein neues Wohngebiet für reiche Neuzuzüger einzonen könne.
Völlig neu sind solche Pläne nicht. In einem BZ-Interview hatte der seit diesem Jahr für Entwicklung und Strategie zuständige Gemeinderat Martin Allemann (FDP) am 16. Dezember bereits erklärt: «Wir setzen künftig aufs Wohnen und wollen in zehn Jahren um zehn Prozent wachsen.» Mit den zusätzlichen 220 Einwohnern hofft der Gemeinderat, die Infrastrukturkosten besser verteilen zu können.
Veraltete Strategie
Kritiker werfen ihm allerdings vor, solche Wachstumsstrategien seien hoffnungslos veraltet, anderswo gescheitert und würden lediglich zu einem neuen Anwachsen der Infrastrukturkosten führen. Neue Kindergärten, Schulzimmer und Turnhallen, aber auch zusätzliche Mitarbeiter im Werkhof und beim Strassenunterhalt würden mehr kosten als die 220 neuen Einwohner an Steuergeldern bringen.
Einer der Anwesenden erklärte, er wohne im solothurnischen Aeschi. Dort sei eine ähnliche Strategie gescheitert, die Neuzuzüger hätten sich nicht integriert.
Vor den Kopf gestossen sehen sich nun vor allem jene vorwiegend älteren Wiedlisbacher, deren Hofstatt vor Jahrzehnten oft gegen ihren Willen in die Bauzone verlegt wurde. Seither mussten sie Bauland versteuern, obwohl sie lieber Schafe weiden oder Äpfel wachsen liessen. Heute sehen sie diese für sie unfreiwillig teuer gewordenen Matten oft als ihre Altersvorsorge an, oder sie wollen es den Jungen überlassen, was dort einmal geschieht.
Ihnen drohe der Gemeinderat jetzt: Wenn sie nicht bauen würden, werde man diese Parzellen umzonen und so weitgehend wertlos machen. Von einer Entschädigung sei am Montagabend nicht die Rede gewesen, sagen Betroffene. Auf eine entsprechende Frage, habe ihnen der anwesende Planer erklärt, sie könnten ja später vor Gericht eine solche einklagen. Einer der Betroffenen ist der frühere Divisionär Andreas Schweizer. Er spricht von einer «charakterlosen Planung»: «Das ist Diebstahl und eine bodenlose Frechheit gegenüber den Einheimischen und langjährigen Steuerzahlern.» Er sieht sich gleich doppelt betrogen: Kurz nachdem er in Wiedlisbach zugezogen sei, habe die Gemeinde über sein Land eine Planungspflicht verfügt, was den Wert massiv vermindert habe. Jetzt erkläre man ihm, das seien halt andere Zeiten und Verantwortliche gewesen. Die damaligen Pläne hätten sich als falsch erwiesen und seien jetzt wertlos. Schweizer hofft deshalb, das sich die Betroffenen zusammenschliessen und für ihre Interessen wehren. Vom Mitwirkungsverfahren verspricht er sich nichts. «Kritische Einwände werden sowieso unter den Tisch gewischt.»
Umzonung für zehn Jahre
Ganz anders wertet Gemeinderat Martin Allemann die Vorinformation vom Montagabend. Er habe auch positive Rückmeldungen bekommen. Eingeladen worden seien rund ein Dutzend Grundeigentümer, die von der Revision der Ortsplanung «direkter betroffen» seien. Gekommen seien gut 20 Personen.
Ihnen habe er erklärt, dass Wiedlisbach über so viele Baulandreserven verfüge, dass zurzeit überhaupt nichts neu eingezont werden könne. Deshalb wolle die Gemeinde Bauparzellen für zehn Jahre umzonen. «Wir versprechen den Besitzern, dass wir ihre Parzellen mit erster Priorität berücksichtigen, wenn sie dann wieder eine Rückzonung wünschen.» Dies sei die stärkstmögliche Formulierung, die das geltende Gesetz zulasse, sagt Allemann. «Eine Garantie dürfen wir nicht abgeben.» Zwei der betroffenen Grundstücke seien mit einem Bauverbot belegt, da mache eine solche Rückzonung durchaus Sinn. Es gebe auch Landbesitzer, die zumindest vorläufig sicher nicht bauen wollten und deshalb einverstanden seien, sagt Allemann. Er macht eine einfache Rechnung: Je mehr bestehende Bauparzellen in die Grünzone umgeteilt werden können, desto grösser wird das neue Wohngebiet in der Gerzmatt. Die gesamte Fläche, die jetzt und allenfalls später in weiteren Etappen eingezont und überbaut werden soll, gehört einem einzigen, auswärtigen Eigentümer.
Entschädigung?
Zur Frage nach allfälligen Entschädigungen oder einer Mehrwertabschöpfung bleibt Martin Allemann vage. Es sei jetzt noch viel zu früh, darüber zu sprechen, ob eine solche überhaupt erhoben und falls ja dann auch für die Abgeltung von Verlusten bei Rückzonungen verwendet werden könnte.
Infoversammlung am Mittwoch um 20 Uhr in der Froburg. (Berner Zeitung)
Erstellt: 09.03.2011, 08:23 Uhr

Kommentar von Robert Grogg

Glaubwürdigkeit fehlt
Noch ist das Defizit des Städtlifestes in schlechter Erinnerung. Noch peinlicher war die Veranstaltung zur Deckung desselben. Kaum eine Versammlung in Wiedlisbach, an der aktuelle Gemeinderäte nicht von ehemaligen Kollegen blossgestellt werden.
Kein Wunder also, dass einige am Montag erstmals mit der Auszonung ihrer Bauparzellen konfrontierte Einwohner mit grosser Ablehnung reagieren. Sie wissen nur zugut um Fehler und Versäumnisse im Bauwesen. Warum also sollen sie plötzlich Versprechungen Glauben schenken, über die in zehn Jahren andere Gemeinderäte vielleicht lachen werden, so wie es die heutigen über frühere Planungsfehler tun.
Dass der Wiedlisbacher Gemeinderat nicht über die nötige Glaubwürdigkeit verfügt, hat vor allem mit seinen Vorgängern zu tun. Aber er hat bis jetzt auch nicht viel unternommen, um dies zu ändern. An der letzten Gemeindeversammlung stand Martin Frank den zu erwartenden Fragen einmal mehr achselzuckend gegenüber. Und auch Gemeindepräsidentin Katharina Hofer musste die Versammlung für Beratungen unterbrechen, sobald ein Antrag gestellt wurde.
Das wirft Fragen auf: Lässt sich eine Gemeinde von 2200 Einwohnern überhaupt zeitgemäss führen? Muss Wiedlisbach tatsächlich einen grünen Hügel überbauen, um seine Verwaltung bezahlen zu können? Ähnliche Probleme hat auch Oberbipp. Weit grössere haben die drei Berggemeinden. Mit grosser Wahrscheinlichkeit müssen sie alle in den nächsten Jahren einmal fusionieren. Die neue Gemeinde wird so gross sein, dass sie von einem Profi geführt werden kann.
Dann braucht es kein zehnprozentiges Wachstum mehr. Dann braucht es vor allem mehr Glaubwürdigkeit.

Robert Grogg ist Redaktor. robert.grogg@bernerzeitung.ch